Willkommen

Karate wird hier seit über 50 Jahren nicht in erster Linie als Sport betrieben, bei dem es vorrangig darum geht, äußerlich sichtbare, messbare Leistungen und Erfolge über andere zu erzielen (z.B. Wettkampferfolg, aber auch das Streben nach dem nächsten Gürtel nur als äußerliches „Erfolgs“ -Symbol – „Gürteljägerei“).

Karate wird hier vielmehr als WEG (jap. DO) verstanden, seine Gesamtpersönlichkeit womöglich lebenslang körperlich und geistig weiterzuentwickeln. Im KARATE-DO ist das üben also nach innen gerichtet und dient so nicht der egoistischen Selbstdarstellung nach außen, wie es oft bei Wettkämpfen und auch Gürtelprüfungen zu beobachten ist.

KARATE-DO als ein Weg zur körperlichen und geistigen Meisterung des ICH schließt den Wettkampfsport nicht aus. Zu beachten ist nur, dass das Streben nach solchen äußeren Erfolgen nicht zur wichtigsten Antriebsfeder wird!
Fortschritte auf dem inneren Weg sind nicht messbar und nicht sichtbar. Deshalb ist KARATE-DO (Karate als WEG-Lehre) viel mühsamer, weil „Erfolge“ sich nicht kurzfristig einstellen. Das Reifen einer Persönlichkeit beruht nicht nur auf äußerem Können (Techniken), sondern vielmehr auf einem inneren Werden (Reifungsprozess). Das braucht Zeit und Anleitung eines Meisters (SENSEI).

Im Sportkarate ist die vorrangige Aufgabe des Lehrers, Wettkampferfolge zu produzieren. Deshalb ist der übungsleiter im Sportkarate ein Trainer.

Im KARATE-DO ist die Aufgabe des Lehrers, dem Schüler bei seinem Werden auf dem Weg zu helfen. Das geschieht nach ganz anderen Gesichtspunkten und völlig anderen Prioritäten als im Sportkarate, weil das Ziel ein völlig anderes ist. Der Lehrer im KARATE-DO ist ein SENSEI (=Meister, Lehrer). SENSEI kann deshalb nur jemand sein, der KARATE als WEG – Lehre begreift und bejaht und der auf diesem Weg schon weiter vorangeschritten ist (nicht nur technisch betrachtet, sondern vor allem geistig im Sinne eines Reifeprozesses, eines Werdens).

Lehren und Lernen ist immer eine zweiseitige Sache und kann im Sinne des BUDO (=Sammelbegriff für alle japanischen Kampfkünste wie z.B. JUDO, AIKIDO, KENDO, KYUDO, KARATE-DO) nur funktionieren, wenn eine Ausgewogenheit von Nehmen und Geben besteht.

In unserer modernen Leistungsgesellschaft mit ihrem Anspruchsdenken hat man gelernt zu fragen: Was bringt das mir? – wenn ich bezahlt habe, habe ich Anspruch auf guten Unterricht! – Ich entscheide, was mir Vorteile bringt usw.

Diese einseitige Betrachtungsweise, die nur nach dem eigenen Vorteil zielt, ist im BUDO völlig fehl am Platze! Die alten, aus Jahrhunderten der Erfahrung gewachsenen Regeln betonen vor allem, dass es das Wichtigste auf dem Weg zur wahren Meisterschaft einer Kampfkunst ist (und hier ist selbstverständlich nicht der Wettkampferfolg gemeint), sein Ego dauernd zu bekämpfen!

Im BUDO lernt man nicht andere zu besiegen, sondern immer wieder sich selbst.

 

Das ichsüchtige Streben nach äußerem Erfolg steht einem wahren Fortschritt tatsächlich im Wege. Wahre Bescheidenheit erwächst nur aus der immer wiederkehrenden Erkenntnis und Einsicht, dass man noch einen weiten Weg zurückzulegen hat, dass andere noch besser sind usw. Nur so entsteht auch eine Spannung (Motivation), die einen unermüdlich und fleißig weiterüben lässt.

Von KARATE-DO kann man also nur sprechen, wenn die innere Einstellung stimmt, wenn man Karate als WEG – Lehre begreift und bejaht!

Wer sich nun bewusst dafür entscheidet, den schwierigen Weg zu gehen (KARATE-DO), muss gewisse Regeln und Bedingungen kennen, deren Einhaltung und Befolgung sehr wichtig sind:

Jedes Lehrer – Schüler – Verhältnis ist eine zweiseitige Sache Shitei (Lehrer – Schüler – Verhältnis)
  • Es gründet auf Vertrauen.
    Vertrauen der Schüler in den Sensei, dass dieser, weil er auf dem Weg schon viel weiter ist, viele Schwierigkeiten kennt. Seine Anordnungen und Hilfen sind deshalb nicht in Frage zu stellen und zu diskutieren, denn das bedeutet automatisch, dass man in den Sensei kein Vertrauen setzt.
  • Vertrauen auch des Sensei in die Schüler, dass sie den WEG bejahen und sich bemühen, den Regeln des Weges zu folgen.
  • Ein richtiger Sensei wird je nach Einschätzung manchen Schülern Prüfungen auferlegen, deren Sinn diesen oft nicht klar ist. Meistens dienen solche durch den Sensei auferlegten Prüfungen dazu, den schlimmsten Feind, den es gibt, zu bekämpfen: das Ego. Wenn man aus gekränktem Stolz (=verletztem Ego) dann nicht mehr in der Lage ist, sich selbst zu besiegen, wenn man im Gegenteil (um nicht mit sich selbst kämpfen zu müssen und sich womöglich eine Niederlage beizubringen) den Spieß herumdreht und Kritik am Sensei übt, hat man die Prüfung nicht bestanden, und es wird Zeit zu gehen.

Wenn man das nicht selbst tut (was aber die meisten aus gekränktem Stolz tun), wird der Sensei von sich aus das Lehrer – Schüler – Verhältnis lösen.

Die meisten Schüler erwarten von ihrem Lehrer, dass er immer „gut drauf“ ist, dass er einem was beibringt, dass er sich immer was Neues einfallen lässt usw.

Dieses Anspruchsdenken ist im BUDO völlig fehl am Platze! Eine solche Einstellung ist nämlich nur auf Nehmen aufgebaut; der Eigennutz steht bei dieser Betrachtungsweise im Vordergrund.

Wenn wir weiter vorne schon gehört haben, dass dieses Ich – süchtige Streben einem wahren Fortschritt im Wege steht, so kommt hier aber noch etwas anderes hinzu:

Auch ein Sensei verfügt über keinen unerschöpflichen Kraftquell!

Er ist darauf angewiesen, dass die Schüler nicht nur immer zu ihrem Eigennutz von ihm nehmen, sondern dass auch etwas zurückkommt, was geeignet ist, auch ihm wieder Kraft zu geben! Dazu muss der Schüler diese schon mehrfach angesprochene innere Betrachtungsweise entwickeln, die nicht nur auf das eigene Ego, den eigenen Vorteil zielt, sondern bewusst und dauernd diese Ich-Sucht bekämpft und überwindet.

Verhaltensweisen der Schüler, die dem Sensei Kraft geben GIRI (Verpflichtung)
  • Regelmäßige Trainingsteilnahme, Trainingsfleiß
  • Arbeit, Streben im Sinne des KARATE-DO
  • Achtung, Respekt und Vertrauen
  • Dank und Anerkennung
  • Solidarität und Loyalität
…gegenüber dem Meister und gegenüber der Gemeinschaft

Verhaltensweisen der Schüler untereinander

Das Streben nach eigenem Erfolg ist meist geprägt von starken Konkurrenzgefühlen. Nun mag das ja im Sine unserer modernen Leistungsgesellschaft durchaus wünschenswert sein („Konkurrenz belebt das Geschäft“); im Sinne des KARATE-DO als eines inneren Reifungsprozesses (Werden) der Gesamtpersönlichkeit steht es diesem Ziel aber im Wege. Außerdem kommt noch hinzu, dass das Besserwerden (auch rein technisch gesehen) viel besser im Miteinander funktioniert als im Gegeneinander: Bei vielen Partnerübungen, Kampübungen ist man auf ein richtig verstandenes „Geschehen – lassen“ angewiesen, kann und soll sich gegenseitig korrigieren usw. Das reine Konkurrenzdenken („Ich bin besser als Du!“) sollte, wenn überhaupt, nur Raum haben im Wettkampf (Shiai) oder im Ernstfall auf der Strasse.
Deshalb:

  • Die fortgeschrittenen Schüler (Sempai) helfen den niederen Gürtelgraden (Kohai) bei ihrer Entwicklung. (Zurückstellen der eigenen Interessen)
  • Eine Aufforderung zu einer übung oder einem übungskampf geht immer vom Höher-Graduierten aus; genauso hat kein Anfänger einen Fortgeschrittenen zu kritisieren. (Bekämpfung der eigenen überheblichkeit, Erziehung zur Bescheidenheit)
  • Der Umgangston im Dojo ist freundschaftlich, zumindest freundlich.

Verhaltensweisen der Schüler nach Außen

Wer diese Einstellung begriffen hat, die KARATE-DO von ihm fordert, wird selbstverständlich folgende Dinge unterlassen:

  • Mit Karate angeben
  • Sich zu Schlägereien provozieren lassen
  • Andere schlecht machen und von anderen schlecht reden. (=das eigene Ego über andere erheben)

Schlussbetrachtung:

Diese Regeln sind Idealvorstellungen, d.h. niemand verlangt, dass man sie gleich und 100-%ig von der ersten Stunde der Karate-Laufbahn an erfüllen kann. Es sind ideale Zielvorstellungen.

Wichtig ist nur, dass die Einstellung stimmt, dass man sich bemüht und dass man sich auf dem Weg zu diesem Ziel befindet nach dem Motto:

„Der Weg ist das Ziel“

Wenn jeder sich ständig bemüht, nach diesen Regeln zu handeln, entsteht eine Gemeinschaft, die getragen ist vom konstruktiven MITEINANDER, eine echte Kameradschaft, das Gefühl, dass sich jeder auf den anderen verlassen kann, eine gegenseitige Offenheit und ein Vertrauen, das keiner falschen Beteuerungen bedarf. Eine echte Lebensgemeinschaft, deren Basis sich nicht auf falsche Worte gründet, sondern die sich durch das rechte und echte Handeln trägt. Nur in einer solchen intensiven Verbindung zur Gemeinschaft ist ein Fortschritt im Sinne des KARATE-DO möglich.
Kennzeichen einer solchen unverkrampften, echten Einstellung ist auch immer, dass sie auch besonders außerhalb des Unterrichts von einem von Herzen kommenden Humor mitgetragen wird.

mit freundlicher Genehmigung von Albrecht Pflüger, 7. DAN Karate